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Semesterticket: Stand Sommer 2014 und Perspektive

Einen bedeutenden Impuls haben die Bemühungen um ein Semesterticket durch die Initiative des Nürnberger Oberbürgermeisters Dr. Ulrich Maly erhalten, der sich ebenfalls für ein Semesterticket einsetzt und gemeinsam mit den andereren betroffenen Gebietskörperschaften in der Region eine finanzielle Absicherung ähnlich wie in München organisieren möchte.


Am 14. Januar 2014 fand im Nürnberger Rathaus eine Besprechung statt, bei der vereinbart wurde, dass der VGN nach Abschluss der Auswertung seiner Fahrgastbefragung ein Angebot für ein Semesterticket ähnlich dem Münchner Modell, also ein Stufenmodell mit verpflichtendem Basis- und optionalem Aufpreisticket, errechnen wird. Dieses könnte im Lauf des Sommersemesters 2014 vorliegen.

Sollte das Angebot für die Studierenden attraktiv und für das Studentenwerk rechtlich tragfähig sein, dann könnte, einen ausreichenden Vorlauf vorausgesetzt, eventuell im Wintersemester 2014/15 eine Urabstimmung unter den Studierenden stattfinden.

Zeitgleich würden die Bemühungen um eine finanzielle Absicherung durch die Kommunen intensiviert.

Sollten die Abstimmungen eine hinreichend klare Zustimmung ergeben, dann hätten alle Beteiligten (Studentenwerk, VGN, Kommunen) noch ein paar "Hausaufgaben" formalrechtlicher Art zu erledigen, ehe VGN und Studentenwerk einen Vertrag über ein Semesterticket abschließen könnten.


Hintergrund und Entwicklung bis zum Frühjahr 2014

Das Studentenwerk fordert nachdrücklich ein attraktives Semesterticket für die Hochschulregion Erlangen-Nürnberg. Die gegenwärtige Situation ist völlig unbefriedigend, ein attraktives Semesterticket offenkundig überfällig. Viele Studierende benötigen dringend ein kostengünstiges, "echtes" Semesterticket und auch die Hochschulregion Erlangen-Nürnberg-Fürth kann die Vorteile der im 20-km-Radius nahe zusammengelegenen Hochschulstandorte wegen des offenkundigen Mobilitätshemmnisses nicht ausreizen. Entsprechend fordern auch die Hochschulen verstärkt ein attraktives Semesterticket, so z.B. der Präsident der Technischen Hochschule Nürnberg Prof. Dr. Michael Braun beim dies academicus der TH Nürnberg am 11. November 2013. Ebenso befördert das fehlende Semesterticket die ohnehin kritische Wohnungssituation durch verstärkte Nachfrage in Hochschulnähe und lässt damit auch die Mieten weiter steigen. Schließlich bremst es durch verstärkten Individualverkehr auch die Energiewende, zumal sich Studierende als PKW oft nur „alte Gurken“ mit hohem C02- und Schadstoffausstoß leisten können.

Rechtlicher Rahmen

Eine wichtige Rolle spielt auch für Erlangen/Nürnberg die besondere Rechtslage in Bayern: durch das Fehlen einer verfassten Studierendschaft können in Bayern die Studierendenvertretungen – anders als in anderen Bundesländern – nicht selbst einen Vertrag mit dem Nahverkehrsanbieter abschließen. Hier sind stattdessen die Studentenwerke Vertragspartner und auch für den Einzug der Beiträge zuständig. Dabei sind den Studentenwerken aber im Hinblick auf die Höhe von Pflichtbeiträgen für die Studierenden enge rechtliche Grenzen gesetzt, wenn zugleich das Klagerisiko gering gehalten werden soll. Aufgrund der bisherigen Rechtsprechung kann davon ausgegangen werden, dass für einen Pflichtbeitrag, der von allen Studierenden erhoben wird, ein Betrag in der Größenordnung bis etwa 60 oder 65 € als klageresistent angesehen werden kann.

Bedarf und Ausgangslage

Aufgrund verschiedener Faktoren ist der Bedarf gerade in der Region Erlangen-Nürnberg virulent:

  • Viele Hochschuleinrichtungen sind zunehmend über die Städte Erlangen, Nürnberg und Fürth verteilt; dadurch wird den Studierenden zunehmend mehr innerörtliche und regionale Mobilität abverlangt.
  • Schwierige Wohnungssituation für die Studierenden, besonders in Erlangen, zunehmend aber auch in Nürnberg, die viele Studierende zum Ausweichen ins Umland zwingt; starker Druck zum Pendeln.
  • Zusätzlich verstärkt der erhebliche Anstieg der Zahl der Studierenden (über 30 % in den letzten drei Jahren, beinahe Verdopplung in den letzten 15 Jahren!) im Großraum den Mobilitätsdruck.
  • Sondersituation in der Radlerstadt Erlangen durch einen besonders engen und teuren Wohnungsmarkt. Viele nehmen hier in Uni-Nähe teure Mieten in Kauf und benutzen für innerörtliche Bewegungen das Rad. Inzwischen ist mehr als jeder vierte Erlanger ein Studierender, und von 52.000 Studierenden in ER u.N. studieren 29.000 (56%) in der viel kleineren Stadt Erlangen.

Seit mindestens 20 Jahren gibt es immer wieder Initiativen zur Einführung eines Semestertickets. Gescheitert sind sie stets daran, dass die Angebote des Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) aufgrund der Höhe des vorgesehenen Pflichtbeitrags mit einem viel zu hohen Haftungsrisiko verbunden und folglich für für das Studentenwerk unannehmbar waren.

Semestermarke des VGN

Der VGN bietet derzeit als Quasi-Semesterticket sogenannte "Semestermarken" an. Eine solche Marke kostet für den Raum N-FÜ-ER aktuell 260,80 €, ist dabei aber nur 4 Monate gültig, also nur während der Vorlesungszeit. Müssen Studierende außerhalb dieser Zeit fahren, etwa für Prüfungen, Praktika, Bibliotheksbesuch etc., dann zahlen sie extra. In Medienberichten war vom teuersten Semesterticket Deutschlands die Rede.

Jüngste Entwicklung

Seit etwa zwei Jahren bemüht sich eine neue Initiative um die Einführung eines Semestertickets, die als Facebook-Gruppe begann, mittlerweile aber eng mit den Studierendenvertretungen vernetzt ist.

Der VGN unterbreitete bislang kein konkretes Angebot für ein Semesterticket und verweist darauf, dass seine aktuelle Fahrgastbefragung (durchgeführt 2012) noch nicht vollständig ausgewertet ist. Erst danach sei es überhaupt denkbar, ein Angebot zu erstellen. Mit dem Vorliegen der Ergebnisse der Fahrgastbefragung ist wohl Mitte 2014 zu rechnen. Da jedoch fraglich erscheint, ob die VGN-Fahrgastbefragung allein tatsächlich den Bedarf im Hinblick auf ein Semesterticket zu erfassen vermag, wurde als zusätzliche Argumentationsgrundlage für Verhandlungen mit dem VGN eine Mobilitätsstudie ins Leben gerufen. Diese wurde seit Beginn des Jahres 2013 unter der Leitung von Dr. Tim Elrick vom Institut für Geographie der FAU durchgeführt und bezog die Studiereden der FAU, der Technischen Hochschule Nürnberg sowie der Evangelischen Hochschule Nürnberg ein. Die Ergebnisse der Studie liegen inzwischen weitgehend vor.

Wegweisend: Das "Münchner Modell"

Die jüngste Entwicklung in München zeigt auch für die Region Erlangen/Nürnberg eine echte Perspektive in Sachen Semesterticket auf. Die dortige Lösung ruht auf drei Säulen:

  • Einer kommunalen Absicherung des Nahverkehrsanbieters gegen eventuelle Einnahmeausfälle durch das Semesterticket
  • Einem zweistufigen Modell für das Semesterticket, bestehend aus
    • einem Pflichtticket mit Ausschlusszeit, für das alle einen Sockelbetrag (von in rechtlicher Hinsicht unkritischer Höhe) entrichten müssen und
    • einem gegen Aufpreis erhältlichen Zusatzticket für diejenigen, die das Semesterticket ohne Einschränkung nutzen möchten;
  • sowie schließlich einem klaren mehrheitlichen Votum der Studierenden für die Einführung des Semestertickets zu diesen Konditionen.

Für München bedeutet das konkret:

Der Münchner Stadtrat beschloss eine kommunale (Quasi-)Bürgschaft in Höhe von maximal 12 Millionen Euro (6 Millionen pro Jahr) für eventuelle Einnahmeausfälle des MVV durch das Semesterticket. Diese gilt für die Dauer von zwei Jahren, innerhalb derer sich das Semesterticket soweit entwickeln - sprich: schließlich so gut verkaufen - soll, dass es sich selbst trägt. Damit dem MVV keine Ausfälle entstehen, müssen zumindest mehr als 62 % der Münchener Studierenden das Zusatzticket erwerben. Nach Ablauf der zweijährigen Testphase werden alle Beteiligten die Situation neu bewerten.

Das Stufenmodell besteht aus einem Sockel-Ticket zum Preis von 59 Euro, das alle Studierenden kaufen/bezahlen (müssen); über diesen Solidarbeitrag hinaus kann zum Preis von 141 Euro auf freiwilliger Basis ein Zusatzticket erworben werden. Beide Tickets gelten jeweils für ein ganzes Semester, also 6 Monate. Das Basisticket hat eine Ausschlusszeit, nämlich werktags von 6 Uhr morgens bis 18 Uhr abends. Außerhalb dieser Ausschlusszeit (also auch am Wochenende sowie an Feiertagen) kann man mit dem Basisticket im gesamten MVV-Bereich fahren. Das Basisticket ist somit in erster Linie ein Freizeitticket. Mit dem Zusatzticket entfällt die Ausschlusszeit und man kann auch werktags ganztägig fahren – erst dadurch wird das Ticket also zum echten Semesterticket, das auch für die Fahrt zur Hochschule genutzt werden kann. Die Höhe des Pflichtbeitrags von 59 Euro gilt nach vorherrschender Rechtsauffassung als unbedenklich, das Klagerisiko ist für das Studentenwerk insofern also soweit wie möglich reduziert.

Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrags zwischen dem Studentenwerk München und dem MVV über ein Semesterticket war schließlich, dass sich an den drei größten Hochschulen in München, der LMU, der TU und der Hochschule München, im Rahmen einer Urabstimmung jeweils eine absolute Mehrheit der Abstimmungsteilnehmer für das Semesterticket ausspricht. Im Jahr 2009 war in einer ähnlichen Situation ein Anlauf zu einem Semesterticket (allerdings mit einem höheren Sockelbetrag) noch am Votum der LMU-Studierenden gescheitert. Ende 2012 wurde dann aber auch diese Hürde genommen (weiterhin war bei der Abstimmung, wiederum pro Hochschule, eine Mindestbeteiligung vorgegeben gewesen, die erreicht wurde).
Die Abstimmungsergebnisse:

  • LMU: 81,5 % Zustimmung (Beteiligung 52,6 %)
  • TUM: 90,7 % Zustimmung (Beteiligung 68,7 %)
  • HM: 87,9 % Zustimmung (Beteiligung 54,1 %)

Die übrigen (kleineren) Münchner Hochschulen erhielten die Möglichkeit, sich, sofern gewünscht, für ihre Studierenden nachträglich auch am Semesterticket zu beteiligen.

Das Münchner Modell kann in allen wesentlichen Punkten als wegweisend für ein Semesterticket in der Hochschulregion Erlangen/Nürnberg betrachtet werden, die nun als letzte in Bayern noch kein Semesterticket hat. Sehr optimistisch vermag dabei insbesondere die Tatsache zu stimmen, dass der Verkauf des Zusatztickets in München bislang die Erwartungen übertroffen hat: im Wintersemester 2013/14 haben mehr als 70 % der Münchner Studierenden das Aufpreis-Ticket gekauft.

 

 

 

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